RE: Tag 4 bei Wilbär und Ewa in Grönklitt am 20.03.2010

#1 von Ulli J , 27.03.2010 11:29

Der nette „Wetterfrosch“ aus Malmö sollte recht behalten, am nächsten Morgen wurde ich von dem Geräusch von fallenden Wassertropfen geweckt. Doch der blaue Himmel draußen beruhigte mich schnell, es war nur der Schnee auf dem Dach, der dabei war zu schmelzen.



Gut gelaunt kamen wir im Bärenpark in Grönklitt an, mittlerweile mussten wir unsere Saisonkarte an der Kasse nicht mehr zeigen, die Parkmitarbeiter kannten uns schon. Wilbär lag am Zaun und schlief den Schlaf eines glücklichen Eisbären. Ewa wollte gerne zu ihm in die Kuhle und wandte dabei eine Taktik an, die ich von meiner Katze zuhause kenne. Sie schnupperte an Wilbärs Fell und schob vorsichtig ihr Hinterteil an seines. Aber Wilbär wollte an diesem Morgen seine Schneekuhle für sich alleine haben. Er drehte sich um, schnaufte sie an und Ewa musste sich mit einer Schneekuhle nebenan zufrieden geben. Sie schaute zu uns herüber, als ob sie sagen wollte: „Männer!“ Da konnte ich ihr nur zustimmen.



Plötzlich waren wir von einer deutschen Reisegruppe umringt, die sich an den Eisbären erfreute, die aber offensichtlich keine Ahnung hatten, welche Bären sie da fotografierten. Ich musste innerlich grinsen, als jemand „Flocke“ rief und das bevor ein anderer „Knut“ erwähnte – was ja schon fast einer Majestätsbeleidigung gleichkommt. Niemand aus der Gruppe kam auf Wilbär. Einer aus der Gruppe musste dann auch noch den Bären ein Inuit Lied vorsingen „Atte Katte Nuwa“, „Fische wolln wir fangen“. Nun wollten Ewa und Wilbär gar keine Fische fangen, sondern schlafen. Und das machten sie auch, sie hoben nicht einmal den Kopf, selbst dann nicht als ein Mitarbeiter des Zoos, der – wie passend für einen Bärenpfleger – Björn hieß – mit seinem Quad ankam, um die Gruppe aus ihrer Unwissenheit zu erlösen. Er stellte ihnen die Bären vor und erzählte etwas über den Björnpark.



Dann verschwanden sie alle – wenn auch einige recht zögerlich – im Ausstellungsgebäude und von dort in den Gang, der sich zwischen den beiden Gehegen der Eisbären befindet. Auf diesem Weg gelangen die Tierpfleger zu den Absperrgehegen, wo die Eisbären gefüttert werden. Dort sind auch die Ställe der Bären. Es gibt mehrere Gebäude, eines, in dem Ewa einmal ihren Nachwuchs zur Welt bringen soll, liegt abseits und hat keine Fenster, das andere liegt am Rand der Anlage und kann auch von den Zoobesuchern durch eine große Scheibe eingesehen werden, für den unwahrscheinlichen Fall, dass die Bären sich einmal darin aufhalten. Die Eisbären gelangen durch einen Tunnel unter diesem Weg von der einen Anlage in die andere.



Die Gruppe hatte eine private Fütterung gebucht. Aber sie mussten erst einmal warten, bis Ewa und Wilbär ihnen den Gefallen taten, auch an dieser Fütterung teilzunehmen. Ich habe noch nie entspanntere Bären gesehen, die gleich etwas zu fressen bekommen sollen. Nun ja, sie mussten zuerst merken, dass da jemand hinter dem Zaun stand, wo sie ihr Futter bekommen. Sie lagen ja am anderen Ende des großen Geheges am Zaun. Aber sie hatten ja Björn gerochen und sie rochen auch bestimmt mit ihren feinen – gut trainierten – Nasen das Futter. Jeder, der schon einmal die Aufregung von Knut, den Berliner Eisbärdamen oder von Vitus und seinen beiden Weibern in Karlsruhe kurz vor der Fütterung mitbekommen hat, hätte sich über Ewa und Wilbär gewundert und sich über ihr Verhalten gefreut. Wir schauten ihnen durch die Scheibe im Ausstellungsgebäude zu, wie sie wach wurden, den Kopf hoben und sich anschauten.



- „Sollen wir ihnen die Freude machen?“, schien Ewa Wilbär zu sagen.
-„Nun ja, sie kommen aus Deutschland, da muss ich wohl rüber.“, schien Wilbär zu antworten.
- „Aber sie haben dich Knut genannt, und mich Flocke. Verdient haben sie es eigentlich nicht.“
- „ Vielleicht gibt es ja etwas Leckeres zu futtern. Lass und aufstehen, aber bloß nicht hetzen.“



Zuerst wurde sich ausgiebig gereckt und gestreckt, dann mussten sich die Beiden noch im Schnee wälzen. Ewa ging schon einmal langsam vor, während Wilbär noch ein paar Rollen im Schnee machte. Er hatte auch noch genug Zeit bei uns vorbeizukommen und zur Begrüßung die Scheibe abzulecken. „Da seid ihr ja wieder.“



Wir nahmen die Bärenfütterung als Anlass, unsere mitgebrachten Sandwichs zu essen. Leider hat im Winter kein Restaurant oder Imbiss im Bärenpark auf. Dabei hatte ich Zeit zum Nachdenken. Ich bin noch nie ein Fan von Schaufütterungen gewesen. Ich mag nicht, wenn Tiere betteln und ich sehe mit Unbehagen zu, wenn Knut kurz vor der Fütterung ständig hin- und herläuft. Das was ich hier in Orsa beobachtet habe, bestätigt mich in meiner Meinung, dass es andere Mittel gibt, die Tiere den Tag über zu beschäftigen. Auch in „normalen“ Eisbärenanlagen kann man Futter verstecken und man sollte die Bären nicht dazu trainieren Männchen zu machen und ihr Futter zu fangen.





Als die Bären dann auch nach einiger Zeit nicht auftauchten, machten wir einen Rundgang um die Eisbärenanlage und trafen dabei auch wieder auf Björn, der uns – mit einem Leuchten in den Augen – erzählte, dass Ewa und Wilbär im Augenblick nicht viel Hunger hätten. Das wäre jeden Tag anders, mal würden sie mit Begeisterung zuschlagen, mal wäre das Futter eher uninteressant. Die deutsche Reisegruppe war schon verschwunden.



Ich machte einen kleinen Abstecher zu den Wölfen. Als ich unten am Ausstellungsgebäude wieder ankam, spielten die Bären im Schnee mit Wurzeln, Knochen und verschiedenen, ziemlich mitgenommenen Kanistern. Allem möglichen Spielzeug, das sie im Schnee gefunden hatten.



Sie waren den ganzen Tag über beschäftigt und achteten überhaupt nicht auf die zahlreichen Besucher, die bei dem schönen Wetter durch den Park spazierten. Es ist keineswegs menschenleer im Winter in Orsa. Ich bin schon in Stadtzoos im Herbst oder Frühjahr gewesen, wo ich weniger Zoobesucher begegnet bin.



Ewa arbeitete weiter an der Vollendung der Untertunnelung des Schneeberges und Wilbär leistete ihr Gesellschaft, wobei er sie eher behinderte als ihr half. Ein toller Spielspaß für die Beiden. Der eine verschwand im Schneeberg, der andere folgte und „holte“ ihn wieder heraus.



Man konnte die Eisbären bei ihren Bauarbeiten leider nicht so gut beobachten, weil die Tunnel- und Höhleneingänge an der Seite des Berges liegen, der in das Gehege hinein weist. Ab und zu tauchte ein Kopf auf, man sah Ewas Rücken und dann wieder Wilbär, der aus dem Schnee vor ihr auftauchte.





Sie rutschten auch fröhlich den Berg hinunter, meist an einer Stelle, die wir gerade nicht fotografieren konnten, weil wir am falschen Platz hinter dem Zaun standen. Wir rannten dahin, wo wir sie hätte fotografieren können, wenn wir ein bisschen schneller gewesen wären.



Sie balgten sich direkt hinter dem Zaun, wir waren nur wenig mehr als ein Meter entfernt. Zu nah um zu fotografieren, nah genug, um alles genau zu sehen und die Geräusche zu genießen: das Schnaufen der Bären, ihr Brummen, das Aufprallen ihrer Tatzen im Fell des anderen, ihr aufgeregtes Atmen.



Es begann überall zu tauen, auf dem Eis des Sees bildete sich ein Wasserspiegel, auf dem die Eisbären schlittern konnten mit einem blauen Kanister als „Surfbrett“. Die Bären hatten einen ausgefüllten Tag und wir auch.





Am Ende wurden sie wieder müde und legten sich schlafen. Ewa kam ganz nah an den Zaun und schaute zu uns hinüber. Ich war ein bisschen traurig. Uns blieb nur noch ein Tag um die Beiden zu besuchen.



Zum Abschluss machten wir noch einen Rundgang durch den Bärenpark und schauten bei den Braunbären Kindern vorbei, die zusammen mit ihrer Mutter jetzt ein großes Gehege bezogen hatten. Auch sie hatten wohl an diesem Tag einige Abenteuer erlebt, wie die Fußspuren im Schnee erzählten.



Am Abend dachte ich darüber nach, dass mir die vergangenen vier Tage wie eine Ewigkeit vorkamen, obwohl sie so schnell vorbeigegangen waren. Wir hatten soviel gesehen, so viele Eindrücke in uns aufgenommen und das obwohl wir eigentlich den ganzen Tag nur bei Wilbär und Ewa verbracht hatten. Schade, dass wir uns am nächsten Tag vom Björnpark verabschieden mussten, aber es blieb ja noch ein Tag bei Wilbär und Ewa.

Mehr Bilder vom verschlafenen Morgen, den Abenteuern des Tages, von Wilbär und seiner blauen Tonne und den müden Eisbärenhelden.

 
Ulli J
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RE: Tag 4 bei Wilbär und Ewa in Grönklitt am 20.03.2010

#2 von Gelöschtes Mitglied , 27.03.2010 12:19

hallo ulli,
das ist ja vielleicht ein wunderbarer bericht mit herrlichen bildern. so schön, und wahr ist er auch noch.
wie wünschte ich, knut würde auch eines tages hier seine heimat finden!!!
danke dir ganz herzlich

anne


RE: Tag 4 bei Wilbär und Ewa in Grönklitt am 20.03.2010

#3 von Gelöschtes Mitglied , 27.03.2010 14:32

hallo ulli

atemberaubend,bin hin und weg.
ewa und wilbär sind ja das eisbärteam schlecht hin. :heart:

mir kommt es so vor als ob eisbären die so naturnah gehalten werden viel sozialer sind als normale zoobären auf ihren anlagen.entspannter und ausgeglichener sind sie auf jeden fall .
wenn man fotos von e-bären in der hudson-bay sieht,die sind auch sozial,
die spielen dort auch miteinander.


RE: Tag 4 bei Wilbär und Ewa in Grönklitt am 20.03.2010

#4 von BEA ( gelöscht ) , 27.03.2010 16:16

Liebe Ulli ,ich bin ganz hin und weg. Auch der vierte Tag eurer Orsa-Reise liest sich fantastisch und die Fotos sind wieder atemberaubend.
Erstaunlich,daß der Park auf dem Besichtigungsprogramm einer deutschen Reisegruppe steht. Also ist Orsa nicht ganz so unbekannt,wie ich in meinem dummen Kopf vermutet habe.
ich freue mich schon auf den Bericht von eurem letzten Tag.

LG
Bea

BEA

RE: Tag 4 bei Wilbär und Ewa in Grönklitt am 20.03.2010

#5 von AdsBot [Google] ( gelöscht ) , 27.03.2010 16:53

Liebe Ulli!

Vielen Dank für die wunderschönen Bilder und die interessante Geschichte dazu! Ich bin regelrecht in die Atmosphäre abgetaucht...
Toll, dass die beiden Bären so leben dürfen! :supi:

Liebe Grüße

Yeo

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RE: Tag 4 bei Wilbär und Ewa in Grönklitt am 20.03.2010

#6 von GiselaH , 27.03.2010 19:10

Heute mach´ ich es mal ganz kurz:
Ach war das schön :dance: :-P :-P :dance: !!!

liebe Dank Ulli
GiselaH :winkewinke:

 
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RE: Tag 4 bei Wilbär und Ewa in Grönklitt am 20.03.2010

#7 von agi , 27.03.2010 19:45

So schön, Ulli.
Hatte ich mit dem Paradies ja doch recht.
Ich freue mich für jeden Eisbären, der so eine Chance bekommt.
Mal sehen in 2 Jahren.......

danke
agi

 
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RE: Tag 4 bei Wilbär und Ewa in Grönklitt am 20.03.2010

#8 von Goldammer ( gelöscht ) , 27.03.2010 20:30

Ja, Anne hat Recht:
Eine wahre Geschichte, wie sie schöner nicht sein kann. Ein reales Märchen, wie gesagt! Druckreif!

Goldammer

Goldammer

RE: Tag 4 bei Wilbär und Ewa in Grönklitt am 20.03.2010

#9 von Christina_M ( gelöscht ) , 27.03.2010 23:11

Mmm... Das zweite Foto ist sooo... kuschelig!!!

Danke für den wunderbaren Bericht und die wunderbaren Fotos!!!!!

:clap:

LG

Christina

Christina_M

RE: Tag 4 bei Wilbär und Ewa in Grönklitt am 20.03.2010

#10 von Marga ( gelöscht ) , 27.03.2010 23:24

Ulli,ich bin absolut fasziniert von diesem Pärchen-soooo schön alles zusammen-und das Bild von Ewa so nah am Zaun-das ist einfach zauberhaft-als wollte sie "hej" sagen-verführerisch nah um das Näschen zu berühren :oops: was ich aber in echt :oops: niemals tun würde :seufz:
Danke fürs Mitnehmen!!

:heart: Marga

Marga

RE: Tag 4 bei Wilbär und Ewa in Grönklitt am 20.03.2010

#11 von babs , 28.03.2010 17:06

Hallo UlliJ,

selten sprachlos, aber das ist nur WOW!
Ein Eisbärenparadies auf Erden!

LG babs :winkewinke:

 
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RE: Tag 4 bei Wilbär und Ewa in Grönklitt am 20.03.2010

#12 von Isle ( gelöscht ) , 28.03.2010 18:54

Ich weiss auch nicht, was ich noch dazu schreiben soll, ausser, dass Wilbär und Ewa das große Los gezogen haben. Ich gönne es ihnen von ganzem :heart: und wünsche vielen Eisbären so ein schönes Leben.

Liebe Ulli,
hab ganz lieben Dank für`s Teilhaben an Deiner wunderschönen Zeit und auch mir ging es so, ich war eben total abgetaucht.

isle

Isle

   

Tag 5 bei Ewa und Wilbär in Grönklitt am 21.03.2010
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